#wirvsvirus: So lief der Digital-Wettbewerb gegen die Coronakrise
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Wer die Welt verändern will, muss Geduld haben. So heißt es für Annika Eidner am Freitagabend, dem ersten Tag des #wirvsvirus-Hackathon der Bundesregierung, erstmal Warten. Slack, die Chat-Software, über die die Teilnehmenden des virtuellen Ideenwettbewerbs kommunizieren sollten, ist für ein paar Stunden zusammengebrochen. Grund: Mit 21.000 Personen aus Deutschland und der ganzen Welt ist #wirvsvirus der größte Hackathon, der jemals stattgefunden hat – und das aufgrund der aktuellen Corona-Lage komplett dezentral. Eingeladen haben neben der Bundesregierung die Initiativen Tech4Germany, Code for Germany, Impact Hub Berlin, der Prototype Fund, die Initiative D21, Project Together und das Social Entrepreneurship Deutschland.
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Annika, eine Studentin der Softwaretechnik aus Stuttgart, hat sich zusammen mit ihren beiden Mitbewohnern beim Hackathon angemeldet. „Wir hängen ja sowieso zu Hause rum, da können wir die Zeit auch sinnvoll nutzen“, sagt die 25-Jährige. Zu dritt haben sie vor, einen Alexa-Skill zu basteln, also eine App für den Amazon-Sprachassistenten, der auf Nutzerfragen zum Thema Corona sinnvolle Antworten gibt. „Ein Mitbewohner ist Biologe, das würde in der Fachkombination schon mal gut passen“, meint Annika.
Ihr Themenvorschlag war einer von insgesamt über 3.000 Herausforderungen, die im Vorfeld von ehrenamtlichen Coaches zu 50 Themengebiete zusammengefasst worden sind – eine sehr gute Übersicht über alles, was unsere Gesellschaft in den kommenden Monaten beschäftigen wird. Darunter Fragen wie: Wie kann die Auslastung von Supermärkten so optimiert werden, dass nicht zu viele Menschen gleichzeitig einkaufen wollen und sich lange Schlangen bilden? Wie kann man Bauern auf dem Land mit Erntehelfern versorgen? Oder: Wie können Atemmasken schnell und kostengünstig produziert werden? Nicht nur Teilnehmende des Hackathons, sondern auch Bundesministerien haben eigene Fragen eingereicht.
Ein virtueller Ameisenhaufen
Als nach mehreren Stunden Wartezeit alle bei Slack registriert sind, kann das Hacken beginnen. In diesem Fall heißt es erstmal: Teamfindung! „Wo Tausende Menschen organisiert sind, ist das natürlich etwas chaotisch“, erinnert sich Annika im Nachhinein. Slack-Channels werden eröffnet und wieder geschlossen, schnell gibt es für Teams mehrere Unterchannels, viele organisieren sich selbst lieber über Whatsapp oder den beliebten Game-Service Discord.
Unmöglich für die Organisatoren, hier den Überblick zu behalten. Müssen sie aber auch nicht: Die 21.000 Teilnehmenden entwickeln einen hohen Grad an Selbstorganisation. Wie in einem virtuellen Ameisenhaufen finden sich hier und da kleinere Teams, es werden Untergruppen gebildet, alles läuft irgendwie. Im Falle von Annikas Team findet sich schnell eine weitere Person, die von der Ferne aus mithelfen will. Die Marketing- und Kommunikationsexpertin Melanie lässt sich via Videochat zuschalten. In der Nacht von Freitag auf Samstag entwickelt das Team das Kerngerüst für den Sprach-Assistenten: einen Entscheidungsbaum, der auf die simple Frage „Bin ich mit Corona infiziert?“ so lange Gegenfragen stellt, bis er eine sinnvolle Antwort geben kann.
Nicht nur innerhalb der Teams, auch auf übergeordneter Ebene wird während des Hackathons im Sekundentakt kommuniziert. Schnell entstehen weitere Chatgruppen: Suche Hilfe, Biete Hilfe, Ankündigungen, Deadlines und Fristen, Technischer Support oder auch eine eigene Chat-Gruppe für Memes, Schwarzen Humor und lustige Katzenbilder. Samstag auf Sonntag arbeiten viele Teams die Nacht durch. Auch das Team von Annika bekommt kaum Schlaf ab. „Die Skill-Developer-Software ist nicht so anwenderfreundlich, vor allem nicht zum Testen“, kritisiert Annika zwischendurch. Quer durch Slack sucht das Team nach einem Experten für AWS, die Amazon Web Services, und nach einem Skill-Developer.
Man hilft sich
So ergeht es vielen Teilnehmenden: An einer bestimmten Stelle fehlt immer Fachwissen, ein Programmierer oder schlichtweg Manpower. Aber es ist auch so: Wann immer Hilfe, wann immer Unterstützung benötigt wird, ist sofort eine helfende Hand zur Stelle. „Die Teilnehmer haben in diesen Stunden das Internet zu dem gemacht, was es einmal war: ein Begegnungsort der besten und offensten Art“, sagt deshalb im Rückblick Helge Braun, der Chef des Bundeskanzleramts.
Das gilt auch für die Unterstützung von Neulingen. Denn im Gegensatz zu anderen ähnlichen Veranstaltungen, wie sie vor der Coronakrise vor allem in den Konferenzräumen von Startups und Digital-Firmen stattgefunden haben, gibt es bei #wirvsvirus einen großen Teil von Teilnehmern, die mit digitalen Technologien bisher nie etwas zu tun hatten, und auch der Altersdurchschnitt ist viel höher als bei vergleichbaren Events. „Viele Teilnehmende haben wohl zum ersten Mal in ihrem Leben an einem Hackathon teilgenommen“, so Helge Braun. „Die werden von den Jungen einfach virtuell untergehakt und helfen sich gegenseitig.“ So gesehen ist der Hackathon auch ein großer Lehrgang in Bezug auf die Digitalkompetenz.
Am späten Sonntagabend, während andere Teilnehmende schon auf der virtuellen Abschluss-Party mit einem Kaltgetränk einander vor der Webcam zuprosteten, sitzen Annika und ihr Team noch immer an der Dokumentation der Sprachassistenten-App. Alle Ergebnisse werden in Devpost zusammengefasst, einem internationalen Onlineportal speziell für die Organisation und Koordination von Hackathons. „Alexa kann jetzt gefragt werden, ob man möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert ist“, tippt die Stuttgarter Studentin stolz in das Formular ein. „Der Skill beantwortet auch eine Menge Fragen rund um Corona, zum Beispiel wie man eine Maske trägt oder wie exponentielles Wachstum funktioniert. Geplant war eine Abfrage von aktuellen Infektionszahlen, das kann Alexa aber seit Neustem schon selbst.“
Einzelne Tipps, was man gegen die Langeweile tun kann, hat das Team auch noch ergänzt, und will in der Zukunft den Skill möglicherweise Schritt für Schritt weiterentwickeln beziehungsweise mit aktuellen Informationen anfüttern. Von anderen Teams wurden Hunderte von weiteren Ideen in Form von kurzen Youtube-Clips ins Netz gestellt, wo sie nun von der Bundesregierung gesichtet werden. Man prüfe, so Helge Braun, bei jedem einzelnen Projekt, ob man es irgendwie unterstützen könne. Auch 2.000 Unternehmen hätten sich bereits im Kanzleramt gemeldet und weitere Unterstützung angekündigt.
Digitaler Trendsetter Deutschland Anzeige
Und es geht weiter: Die Regierungen aus Indien, Schweiz, Belgien, Kanada, Columbien und Brasilien haben bei den Organisatoren angeklopft und um Beratung gebeten, selbst einen eigenen Hackathon auf die Beine zu stellen. Der Chef des Bundeskanzleramts frohlockt: „Da ist Deutschland zum ersten Mal ein digitaler Trendsetter.“
https://samplecic.ch/wirvsvirus-so-lief-der-digital-wettbewerb-gegen-die-coronakrise.html
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