App-Entwicklung: Nein, ihr braucht wahrscheinlich keine künstliche Intelligenz

Viel hilft viel? Nein, jedenfalls nicht in der App-Entwicklung. Denn Software muss nicht immer aufwendig sein, um eine gute User-Experience zu bieten.


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KI und Machine Learning sind zwei omnipräsente Buzzwords. An vielen Stellen sucht man nach mehr oder weniger sinnvollen Einsatzmöglichkeiten oder spricht zumindest davon, wo überall Potenziale schlummern. Doch wie notwendig ist künstliche Intelligenz, wenn es um eine gute User-Experience bei Apps geht, wirklich?

Nix mehr verpassen: Die t3n Newsletter zu deinen Lieblingsthemen! Jetzt anmelden Anzeige Wie funktionieren Apps eigentlich?

Um diese Frage zu beantworten, ist der Blick hinter die Fassade des Frontends, also der Benutzeroberfläche, hilfreich. Apps sind eigentlich Daten-Sammelmaschinen, die eine Datenbank befüllen – mehr aber auch nicht: Jeder Klick und jede Eingabe ist ein bestimmter Befehl, der, ganz egal, ob es sich um ein Handy-Spiel oder eine App zum Sprachenlernen handelt, im Hintergrund in einen Datensatz verwandelt wird.

Solange diese Daten nicht weiterverarbeitet werden, passiert auch nichts mit ihnen. Damit daraus etwas entstehen kann, müssen sie nach einer bestimmten Logik bearbeitet, also zum Beispiel gezählt werden. Das ist die Voraussetzung dafür, dass verschiedene Teile der Datenbank zueinander in Verhältnis gesetzt werden können, also ein Algorithmus entsteht, der beispielsweise nach dem Wenn/dann-Prinzip funktioniert. Konkret: Wenn die App zum ersten Mal geöffnet wird, erscheint Information A; wenn die App bereits fünf Mal geöffnet wurde, dann erscheint Information B.

Basierend auf der bestehenden Logik greifen also fest definierte Regeln. Die Komplexität kann hier beliebig erhöht werden, mit diversen Abhängigkeiten und Bedingungen, und möglicherweise sogar ständig um Feedback in Form von zusätzlichen Daten erweitert werden. Der entscheidende Punkt an dieser Stelle ist, dass jegliche Verarbeitung der verfügbaren Daten durch die Algorithmen immer von einem Menschen vorgegeben und entsprechend im System programmiert werden muss. Jeder einzelne Nutzungspfad muss im Vorfeld gedacht und angelegt worden sein.

So weit, so nachvollziehbar. Sprechen wir nun im nächsten Schritt von KI und Machine Learning, dann geht es darum, dass das System mit den verfügbaren Daten und den vorgegebenen Algorithmen arbeitet und innerhalb der Ergebnisse selbstständig Muster erkennt, die vom Menschen so nicht vorgegeben waren.

Durch entsprechendes Training muss der Algorithmus also lernen, nach welchen Mustern er überhaupt suchen soll. Das ist der Stoff, aus dem Scifi-Drehbücher sind. Damit so etwas funktionieren kann, braucht es ausreichend Daten, technisches Wissen, Training und Tests – kurz also: sehr viele Ressourcen. Stehen die tatsächlich zur Verfügung, können wunderbare Anwendungsszenarien entstehen. Beispielsweise in der digitalen Bilderkennung, bei der die Software mit der Zeit immer besser erkennt, was abgebildet ist; besonders im E-Commerce ist das sehr nützlich.

Auch in der maschinellen Fertigung wird KI beispielsweise im Bereich der Predictive Maintenance eingesetzt, um dem Verschleiß von Maschinen vorzubeugen, bevor es zu einem teuren Ausfall kommt. Stehen die für die aufwendige Programmierung notwendigen Ressourcen nicht zur Verfügung, dann resultiert das in einer nicht ausgereiften Lösung, die im schlimmsten Fall sogar Fehler aufweist, die zu Problemen bei der Bedienung führen. Programmierung ohne den Einsatz von KI ist natürlich auch kein Kinderspiel. Die Fallhöhe ist durch den gesteigerten Aufwand aber höher.

Was soll dieser Exkurs in die Basics der App-Programmierung? Er zeigt, dass es nicht überall notwendig sein muss, High-End-Technologie zu nutzen, um eine gute User-Experience zu bieten.

„Interaktion“ gibt es auch ohne KI!

Eine App kann nach außen hin und vor allem für das ungeübte Auge den Anschein haben, intelligent zu sein, mit der Zeit zu lernen oder mit den Usern zu interagieren. Meistens ist das aber gar nicht der Fall! Etwas anschaulicher: Wird eine Lifestyle-App früh am Morgen geöffnet, dann erscheint ein „Guten Morgen!“ und der Hinweis, dass zum Aufwachen ein Spaziergang gut geeignet wäre. Wird der Rat nicht angenommen, verschwindet er ab einem gewissen Zeitpunkt.

Ebenso verhält es sich, wenn eine App auf einen Fortschritt ausgelegt ist, wie es bei Fitness-Apps der Fall ist oder Programmen zum Lernen einer Sprache. Wird die App für eine gewisse Zeit nicht genutzt, werden die Ziele angepasst, da sich Kondition oder Wortschatz vermutlich verändert haben.

In diesen beiden Beispielen entsteht für die User der Eindruck einer Interaktion, weil die App auf die individuelle Nutzung „reagiert“. Die Funktionalität basiert aber nicht auf irgendeiner künstlichen Intelligenz, sondern auf dem fundierten Wissen der App-Entwickler um die Bedürfnisse der User und den entsprechend angelegten und einfachen zeit- oder zählbasierten Algorithmen.

Dazu bietet sich an, die eigenen Ideen aus dem Entwicklerteam mit dem Feedback der User zu verbinden. Feedback meint neben expliziten Bewertungen, die in einer App vorgenommen werden, auch die Aktivität oder Inaktivität in manchen Bereichen der App. Dadurch lässt sich das User-Interesse sehr genau ableiten. Also: schnell Prototypen zu testen (beispielsweise in A/B-Tests), sie zu verbessern, um dann die neuen Funktionen breit auszurollen. So entsteht eine App, die die Bedürfnisse der User einbezieht und – wenn gewünscht – so auch interaktive und responsive Elemente umfasst. Das soll zeigen: Eine gute User-Experience entsteht nicht einzig und alleine durch die genutzte Technik, sondern dadurch, dass man die vorhandenen Mittel bestmöglich nutzt.

Balance zwischen dem Möglichen und dem Sinnvollen

Bei der App-Entwicklung geht es immer darum, eine Balance zwischen technischen Finessen und den User-Wünschen zu finden. Sicherlich kann es sinnvoll sein, neue Technologien zu adaptieren und zu implementieren, um den Anschluss an die Entwicklung nicht zu verlieren. Die oberste Prämisse sollte dann aber immer der spürbare Nutzen für die User sein. Rein technisch ist es zum Beispiel möglich, Treuepunkte über die Blockchain abzubilden. Ist das für User im täglichen Handling aber spürbar einfacher und verbessert das die User-Experience positiv? Natürlich hängt das jeweils von den Spezifika ab, aber wahrscheinlich nicht.

Statt einer technischen Spitzfindigkeit, die aufgrund zu weniger Ressourcen nicht perfekt umgesetzt werden konnte und dann möglicherweise nicht richtig funktioniert, sollte man also lieber auf technisch weniger komplexe, dafür aber funktionierende und gut entwickelte Systematiken zurückgreifen. Dann können auch Apps, die „nur“ auf der natürlichen Intelligenz der Entwickler-Teams beruhen, eine herausragend gute User-Experience bieten.

Lisette Fabian ist Co-CEO von 8fit und verantwortet die Produktentwicklung. Sie war zuvor VP Product von door2door und VP Global Product Strategy von Delivery Hero und blickt auf Erfahrungen aus über 20 Jahren in der Softwareentwicklung zurück.

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