BGH-Urteil: Das Cookie ist tot, seht es endlich ein!

 So simpel sind echte Cookie-Hinweise in aller Regel absichtlich nicht. (Foto: Shutterstock)
 So simpel sind echte Cookie-Hinweise in aller Regel absichtlich nicht. (Foto: Shutterstock)Uhr Hinweis: Wir haben in diesem Artikel Provisions-Links verwendet und sie durch "*" gekennzeichnet. Erfolgt über diese Links eine Bestellung, erhält t3n.de eine Provision.
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Eigentlich war angesichts eines ähnlich lautenden EuGH-Urteils vom November letzten Jahres bereits zu erwarten gewesen, dass die BGH-Richter so urteilen, wie sie es getan haben. Und so schafft das am Donnerstag verkündete BGH-Urteil in der Rechtssache Planet49 (Az. I 49 7/16) immerhin in einem entscheidenden Punkt Klarheit über die Verwendung von Cookies zu Werbezwecken: Auch in Deutschland ist dafür jetzt die aktive Einwilligung des Nutzers nötig, wobei die Parteien vor allem darum gestritten hatten, ob der Haken bereits vorab gesetzt sein darf oder aktiv durch den Nutzer gesetzt werden muss. Was zunächst nach einer Stärkung der Verbraucherrechte klingt, ist es aber unterm Strich nicht – ganz im Gegenteil.
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Das Urteil ist der letzte Schritt auf dem Weg zu einem Paradigmenwechsel für den Onlinewerbemarkt. Es kommt aber angesichts der technologischen Fakten, die die Browserhersteller in den letzten Monaten in Sachen Third-Party-Cookies geschaffen haben, nicht überraschend. Dass speziell diese Cookies in der gewohnten Form über kurz oder lang aufs Abstellgleis geraten würden, hatten viele Unternehmen der Branche vorhergesehen und sich darauf eingerichtet (oder sind vielmehr noch dabei). Dabei muss man technisch übrigens berücksichtigen, dass es eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten für Cookies gibt, so dass diese nicht alle über einen Kamm geschoren werden dürfen.
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Betroffen hiervon sind vor allem Website-Betreiber (Publisher, Blogbetreiber und Shops), die auf die aktive Einwilligungslösung zur Speicherung von Cookies umstellen müssen. Die bisher vorrangig, wenn auch nicht ausschließlich auf Cookies basierende, zielgruppengenaue Werbung stellt immer noch eine wichtige Finanzierungssäule für Anbieter digitaler Medien und Content-Angebote dar. Die Folge sind sinkende Reichweiten und eine weitere Verschiebung der Media Budgets zu loginpflichtigen Online-Angeboten großer US-Player. Aber auch Login-Allianzen wie Net-ID könnten von dem neuen Urteil profitieren, ebenso Fingerprinting-basierte Lösungen.
Doch für viele europäische Werbetechnologieanbieter, etwa auch im Kontext des Programmatic Advertising, bedeutet das Urteil eine weitere Schwächung ihrer Position gegenüber US-Plattformen, ebenso für zahlreiche Onlinehändler und E-Commerce-Plattformen, die ja nicht nur bei eingeloggten Kunden datengetriebene Personalisierungsmaßnahmen veranlassen.
„Die faktische Beendigung des bisherigen deutschen Sonderweges durch das heutige BGH-Urteil mag konsequent und letztendlich auch richtig sein mit Blick auf eine europaweite Rechtsvereinheitlichung und -sicherheit. Und sicher hat die digitale Branche mit Cookie-basierten Targeting- und Tracking-Auswüchsen den Weg bis zu diesem Punkt mitgeebnet“, gibt etwa auch Thomas Peruzzi, CTO des führenden europäischen Adtech-Anbieters Virtual Minds zu, der zur Prosiebensat1-Gruppe gehört. Allerdings sieht Peruzzi hier auch eine Entwicklung, die die Gesetzgeber eben gerade nicht gewollt haben dürften.
Denn das Anziehen der Daumenschrauben in Sachen Consent-Management heißt auf der anderen Seite, dass die Alternativen in vielen Fällen weniger Pseudonymität ermöglichen und stärkere Bezüge zu konkreten Usern/Personen möglich werden – während bislang vor allem Lösungen en vogue waren, die es zwar ermöglichten, Nutzer wiederzuerkennen, nicht aber, zu wissen, wer dieser Nutzer ist. In Sachen Privatsphäre ist die (wie bereits geschrieben nicht ganz neue oder unerwartete Situation) also ein Eigentor für die europäischen Player: „Weniger Kontrolle im Browser, dafür mehr intransparente Backendprozesse bis zur Entwicklung von Cookie-unabhängigen Lösungen, die der Nutzer überhaupt nicht mehr einsehen, geschweige denn kontrollieren kann“, fasst es Peruzzi zusammen. Was der Gesetzgeber auch nicht gewollt haben dürfte: Anders als europäische Login-Allianzen, die nach DSGVO und unter weitgehender Berücksichtigung von Datensparsamkeit agieren, bleibt bei anderen Systemen oftmals die Hintertür des Staates.
BGH-Urteil wird Juristen und Techniker weiter beschäftigen
Und doch gibt es neben der technologischen Komponente noch eine juristische, nach der das Urteil verstanden werden muss. So urteilt etwa Stephan Zimprich, Partner im IP- und Technologie-Team bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Fieldfisher: „Das Urteil erhöht die Anforderungen für Anbieter von Digitalinhalten bei der werblichen Vermarktung. Einwilligungen sind für dieses vielschichtige wirtschaftliche Ökosystem ein schwer handhabbares Instrument, welches zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt.“
Für digitale Medienanbieter bedeute dies eine deutliche Erhöhung der technischen Komplexität sowie der rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken – ein Umdenken bei den branchenweiten Standards sei hier die Folge. „Rechtspolitisch wäre zu wünschen, dass der EU-Gesetzgeber auf Basis einer Evaluierung der Umsetzung der E-Privacy-Richtlinie in den EU-Mitgliedsstaaten die richtigen Schlüsse zieht und hierbei insbesondere auch die zum Teil kontraproduktiven ökonomischen und datenschutzrechtlichen Steuerungseffekte der Regelungen zutreffend bewertet.“
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Reichlich Arbeit und volle Auftragsbücher wird das Urteil allen Betreibern von Websites, Online-Services, aber auch den Werbenetzwerken und Adtech-Dienstleistern bringen – doch das dürfte für jeden halbwegs wachen Beobachter der Onlinemarketing-Welt nicht erst seit heute bekannt sein.
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